Cristiano Ronaldo Junior: Das Ebenbild des Vaters | NZZaS (2024)

Wenn er die Verwandtschaft besucht, landet er auf einem Flughafen, der nach seinem Vater benannt ist. Der Mann, der ihn abends ins Bett bringt, grüsst am Gepäckband von Werbeplakaten und am Kiosk von etlichen Zeitungsseiten. Normal ist so eine Kindheit nicht und Cristiano Ronaldo deshalb bei der Erziehung seines Sohnes nur konsequent: Er tut gar nicht erst so, als wäre sie es.

Wo viele Prominente tunlichst ihren Nachwuchs abschotten und Fotos verpixeln, wo etwa Zinedine Zidanes ältester Sohn Enzo seine Karriere bewusst unter dem Nachnamen seiner Mutter begann, muss beim achtjährigen Cristiano Ronaldo Junior dos Santos niemand Klageandrohungen wegen der Verletzung kindlicher Persönlichkeitsrechte befürchten.

Der Vater selbst macht ihn ja ausdauernd zur öffentlichen Figur: auf Fotos beim Muskel- oder Frisurenabgleich; als Model seiner eigenen Kinderklamottenlinie («CR7 Junior Collection»); oder auch im Dokumentarfilm «Ronaldo», unter anderem mit der, nun ja, denkwürdigen Szene, in der er den damals Fünfjährigen in die zweistellig mit Luxuskarossen bestückte Garage führte und wie ein Quizmaster fragte: «Welches Auto fehlt heute?» Am Ende war es der Lamborghini, der Kandidat hatte kläglich versagt - manch geschockter Filmkritiker hätte am liebsten gleich das Jugendamt in die Casa Ronaldo vorbeigeschickt.

Das herzige Biest

Die steht jetzt neuerdings an zentraler Hanglage hinter der Chiesa della Gran Madre di Dio von Turin. Nach neun Jahren Real Madrid kickt der Senior fortan für Italiens Vorzeigeklub Juventus. Dort können die Fans ihr Glück immer noch nicht fassen, dass die Königsfamilie des Fussballs aus dem Flugzeug stieg, und sie waren geradezu ergriffen, als «Cristianinho» - der kleine Cristiano - oder «el bichito» - das Biestchen, nach einem Spitznamen des Vaters in den spanischen Medien - bei der Präsentation gleich im Juve-Trikot erschien.

Ob er nun in die Jugendabteilung des Vereins eintritt, ist nicht geklärt. In Madrid spielte er für das Team seiner amerikanischen Schule und verblüffte auf Filmschnipseln oder bei den üblichen Kinderspielchen nach den Matches von Real mit seiner Ballfertigkeit. «Er ist besser, als es sein Vater in dem Alter war», verkündete neulich seine Grossmutter Dolores.

Die Oma gab lange auch die Mama für den kleinen Cristiano, denn die leibliche Mutter hat sein Leben kurz nach der Geburt gemäss Vertragsübereinkunft verlassen. «Mein Sohn braucht keine Mutter», erklärte Ronaldo in dem Film. Ob sie eine Affäre war oder eine von vornherein zur Empfängnis engagierte Dienstleisterin wie bei den Zwillingen Mateo und Eva, die voriges Jahr geboren sind, bleibt ein Geheimnis.

Seit November 2017 gehört zur Familie ausserdem Alana Martina, gemeinsame Tochter mit Ronaldos jetziger Freundin Georgina. Mit der ehemaligen Gucci-Verkäuferin lebt er ungleich stabiler zusammen als früher mit Supermodel Irina Shayk. Damals sprach er davon, «einsam zu sein», und davon, dass Cristiano Junior auch so etwas wie «sein bester Freund» sei.

Vom Stammhalter zum Thronfolger

Dass es «el bichito» an Zuneigung nie fehlte - auch das lernt man bei Instagram und Co. Die Familie überhäuft ihn mit Liebeserklärungen, Ronaldo vorneweg. «Jr sagt, er wird genau so wie ich», schrieb er im März zur Foto seines Sohnes in Bodybuilder-Pose (und löste damit eine Ärztedebatte über die Gefahren präpubertären Hanteltrainings aus).

Vorigen Sommer postete er ein weiteres Bild, das sie mit den exakt gleichen Rasierlinien im Haar zeigte. Der älteste Stammhalter ist der Thronfolger, und er wird zum Ebenbild erzogen: Das dynastische Prinzip gilt neuerdings auch im Fussball.

Wie einem Royal wird dem kleinen Cristiano von klein auf sein Platz in der Welt zugewiesen. Nur dass es nicht um Etikette, Auftreten und Regierungstechniken geht, sondern eben um Fussball, Frisuren, Klamotten und Follower.

Guter Vater, schlechter Vater? Gekonnt wie wenige versteht sich Ronaldo - mit über 330 Millionen Fans der König der sozialen Netzwerke - auf das Prinzip: Teile (Banalitäten) und herrsche (über die Kommunikation). Ob es dahinter eine Welt gibt und wie diese aussieht - dieses Mysterium bleibt trotzdem. Oder erst recht.

Aus Turin wird das Familienalbum jetzt weitergeführt. Wo wird er spielen? Kann er mit dem Druck umgehen? Will er ein echter Cristiano Ronaldo werden, muss er es wohl.